Historisches zur Narrenzunft
Die frühesten Belege zur Fasnet in Überlingen finden sich im Vormerkbuch des Ratsschreibers, das die aus dieser Zeit nicht mehr vorhandenen Ratsprotokolle in etwa ersetzt. Hier wird erstmals 1430 erwähnt, daß „Geld für Trommler und Pfeifer vom Rat der Stadt gewährt wurde.“ 1474 ist die Rede von „der Vasnacht Vrtin“ (Urtin, =Eß- und Trinkgelage). Im Ratsbuch der Stadt Überlingen ist für den Zeitraum von 1496 – 1518 eine sieben Punkte umfassende Fasnachtsordnung (siehe unten) wiedergegeben.
Verboten war bei Strafe:
1) das Küchlin zu holen
2) den Block zu ziehen
3) sich rähmig und rußig zu machen
4) die Mädlin umzustülpen und in den Brunnen zu werfen
5) das Teufelshäs zu tragen
6) nachts mit Trommeln und Pfeifen umzugehen
7) überhaupt alle Maskeraden
Das Holen des Fasnetküchleins schien damals einer wahren heißen Schlacht am kalten Buffet gleichzukommen. Aus diesem Grund verbot der Rat der Stadt Überlingen zeitweise das Holen des Küchlins ganz bzw. erlaubte es schließlich nur noch Kindern und ausnahmsweise noch Freunden und Verwandten der Bürgerschaft Überlingens.
15. februar 1529
… Es haben meiine herren Burgermayster, Zunftmayster und Räte angesehen und wöllen, das allhie yemand bey dem annderen das Küchlinhollen noch raychen soll. Er sey im dann gefreundelt. Wenn man mit den panneren, pfeyffern ald Trummen in der Stadt umbherzeucht oder gat, soll sich yemands keiner büchs gebrauchen und drus schiessen.
Zur Unzufriedenheit der Bürgerschaft hielt der Rat der Stadt Überlingen am Holen des Küchlins, beim Comtur der Mainau, fest. Zu diesem Zweck fuhren Abgesandte der Stadt Überlingen mit einem Boot auf die Bodenseeinsel, was damals sehr lautstark zugegangen sein musste, da im Jahre 1553 die Mitnahme von Büchsen und Trommeln verboten wurde.
27. Januar 1553
Uff de Commenthurs in der Mainow laden und beruffen ist für gut angesehen, das bis Montag schieriskünftig irn Gnaden zu nachbarlichen gefallen das Fasnacht küchlin nach alter gewonnhyit jedoch ohne büchsen und trummen bei derselben geholet werden soll.
Während der hohe Rat der Stadt seinen Bürgern auftrug das Küchlin, nur bei guten Freunden ruhig, bescheiden und außerdem am Montag nach der Herrenfasnacht zu holen, nahm der Rat selbst die den Bürgern auferlegten Ordnungen nicht so ernst. Der Hintergrund dieser Tatsache war, dass es auf der Mainau nicht nur die Küchlein zu essen gab sondern allerhand mehr, als der Rat der Stadt zugeben wollte. Dies stellte sich dann heraus, als der dortige Comtur einmal krank war und die Küchlein nicht verteilen konnte und kurzerhand, als Ersatz für das entgangene Mahl, zwei Kälber, ein Reh und zwanzig Hennen nach Überlingen schickte.
„Dumm gloffe“ würde man heute wohl sagen, aber das „Küchlein“ von der Mainau war indes auch eine Art von Grundsteuer für das in Überlingen stehende Amtshaus der Deutschordenscomturei, welche nur dem Rat der Stadt zugute kam. So war es natürlich nicht verwunderlich, dass die Bürger dem Rat neidisch gegenübertraten, während sie sich bescheiden und ruhig verhalten und nur mit einem Küchlein begnügen mußten. Als jedoch im Jahre 1573 der Überlinger See zufror und deshalb das schon ausgelaufene Schiff des Überlinger Rates, aufgrund des Eises, die Mainau nicht erreichen konnte, war wohl die Schadenfreude in Überlinger Bürgerschaft sehr hoch.
1. Februar 1573
„Anno 1573 des anderen Tag Februarii ist der Bodensee und also diß Jahres zue dem drittenmal ubergefroren, darauff allerlei sachen von den Alten und Jugendt zuer Gedächtnus exerziert aber ethlichen zue sauer worden. … Also hat der bevelchhaber den fuermann ain lang Sayl seines Schiffs uber die Achsel genommen und daz Schiff mit Rudern gezogen, Ursach, sie haben die Ruedere nit einschlagen können. Also ist man wieder zue Rückh und heimwerts gemach gefahren …
1603 ging der Ärger der Bürger sogar soweit, daß sie dem Rat der Stadt, während dieser das „Küchlein“ im Hause der Beckenzunft verspeiste, die Fahnen der Herrschaft von den Stangen rissen, abschnitten und entwendeten. Im Jahre 1603 wurde das letzte Küchlin auf der Mainau geholt. Böse Zungen behaupten, daß dies die Folge des ersten Bürgerentscheids in Überlingen war.
Wer Überlingen kennt weiß, dass in unserem Gau die Liebe für Wein und Most, vor dem Bier steht. Warum sollte es vor hunderten von Jahren anderst gewesen sein als heute. In einem Bericht von 1601 steht, daß 32 Eimer Wein an die Teilnehmer der Umzüge ausgeschenkt wurden. Es lässt sich unschwer abschätzen, wie diese Menge Wein (4368 Liter) wohl auf die Bürgerschaft gewirkt haben könnte. Um die Zahl der „getrunckenen Leut“ einzudämmen, wurde diese Menge Wein an zwei Tagen an die Zünfte ausgegeben.
1608 verbot man das „Blockziehen“ in Überlingen. Der Block ist eine Holzwalze, welche auch heute noch zum Niederdrücken der Wintersaat benutzt wird. Dem Spot der Bevölkerung ausgesetzt, zogen damit die damals noch unverheirateten Frauen den Block durch die Stadt.
1620 machte sich das Herannahen des 30-jährigen Krieges bemerkbar. In den darauf folgenden Jahren wurde in den Ratsprotokollen nicht viel über die Fasnet erwähnt. Der nächste interessante Eintrag stammt aus dem Jahre 1646, als der Schwerttanz zum ersten Mal erwähnt wurde.
8. Februar 1646
„Den ledigen Burschen ist auf mehrmaliges anhalten der Schwerttanz in der Zunft von 12 biß 5 Uhr, doch ohne Spielleut und dem Medlinstanz vergonnt“.
Der Schwerttanz wurde früher nur an der Fasnet aufgeführt und löste sich im Jahre 1870 davon. Er wird noch nur zu besonderen Anlässen aufgeführt (z.B. Schwedenprozession, Prämizfeiern, oder anderen Anlässen).
Im Jahre 1702 wurde zusätzlich noch ein Fass durch die Strassen der Stadt gerollt. Dieser Brauch hielt sich jedoch nur bis 1744, da er dann verboten wurde.
21. Februar 1702
„Den Küfern ist auf gehorsames Anhalten gnädig bewilligt, alt herkömmlicher massen ein Fass zu verfertigen und darmit künfftigen fasnacht zinstag neben den spihlleuthen und fahnen herumbzuziehen“ Ein weiterer Brauch in Überlingen, war das „Laugele holen“.
Das Laugele ist ein kleiner Weißfisch im Bodensee. Unter diesem Begriff versteht man das gegenseitige Hineinwerfen in den Brunnen am Aschermittwoch. Auch heute noch geht die Drohung an die weibliche Bevölkerung um, dass sie, wenn sie in einem Hänselehäs, erwischt wird, in den Hänselebrunnen gesteckt wird. Natürlich ohne Häs.
Februar 1728
„ … und das ganz unanständige laugelen holen an dem aschermittwoch für iszt und alle mahl abgestellt seyn.“
Erlaubnis und Verbot der Fasnet wechselten nun in bunter Reihenfolge, je nach der politischen und wirtschaftlichen Lage der Stadt. Die Aufführung des Schwerttanzes wurde aber auch wegen schlechter Weinernten verboten.
1802 schließlich kam Überlingen zum Land Baden, was einen tiefen Einschnitt im Leben der ehemals freien Reichsstadt darstellte. Die Badischen Beamten hatten zunächst wenig Verständnis für das Fasnetsbegehren der Bürgerschaft. Dem Rat der Stadt wurde bald begreiflich gemacht, daß er fernerhin nichts mehr zu bestimmen hätte, und dass die Fasnet als eine Art Polizeisache nunmehr vom Bezirksamt geregelt würde. Daraufhin folgte eine Flut von Anordnungen, unter anderem auch eine Fasnetsordnung aus dem Jahr 1809.
Die Fasnet stagnierte nun bis in die fünfziger Jahre hinein. Die Revolution von 1848 brachte der Bevölkerung Badens eine etwas größere politische Freiheit, die sich dann sofort auch auf das Fasnetstreiben auswirkte. Plötzlich war dieses wieder rege anzutreffen. Während 1862 bereits ein Narrenkomitee bestanden hatte, wurde 1863 der Bürgerverein Frohsinn gegründet, der die Überligner Fasnet nun fest in die Hand nahm. Es wurde ein etwa 15 Pfund schweres Narrenbuch angelegt, das seither bis zum heutigen Tage als Chronik der Überlinger Narrenzunft dient.
Nun nahm die Fasnet wieder einen stürmischen Aufschwung. Bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges fanden fast jährlich große Umzüge und ein Narrentreiben statt, worauf wir heute nur neidvoll zurückblicken können. Alle diese Umzüge wurden mit sehr großen Teilnehmerzahlen durchgeführt. Vielfach fand zum Abschluß der Umzüge, die zumeist schon am Vormittag um 11 Uhr oder 12 Uhr begannen, ein Narrenspiel auf einer eigens dafür errichteten Bühne statt.
Mit Beginn des 1. Weltkrieges kam dann die Fasnet auch in Überlingen wieder vollends zum Erliegen. In den Zwanzigerjahren folgte ein heftiges Aufflackern, das aber schon wieder durch den 2. Weltkrieg unterbrochen wurde. Gleich nach dem 2. Weltkrieg lebt die Fasnet wieder auf und zwar in einer Art, die durchaus schon als die heutige gesehen werden kann.
Am 29. Juli 1947 ging ein Gesuch – in deutscher und französischer Sprache – an das Gouvernement Militaire in Überlingen. Es wurde „ergebenst“ um die Genehmigung zur Wiedergründung der alten, historischen Überlinger Zünfte nachgesucht. „Der Narrenzunft Überlingen und der Zunft der Überlinger Schwertletänzer“. Beigefügt werden mussten der Satzungsentwurf / Statuten, in welchen die geplanten Veranstaltungen aufgeführt waren und die ausgefüllten politischen Fragebögen der fünf Antragssteller. Denn nur „parteipolitisch unbelastete Personen“ konnten sich damals um ein öffentliches Amt bewerben. So fand am 11.11.1947 die Gründungsversammlung statt, welche noch nicht genehmigt war. Die offizielle Gründungsversammlung folgte am 5.Januar 1948. Der Hänseleumzug, damals noch am Fasnetmontag abgehalten wurde, wurde in französischer Sprache als „Cortège des Hansele“ bezeichent.
Chronologie unserer Überlinger Fasnet
1430 Trommler und Pfeifer bekommen für ihr Spiel an der „Vasnacht“ Geld
1474 ist zum ersten Mal von der „Fasnacht Vrtin“ die Rede
1496 Älteste süddeutsche, 7 Punkte umfassende, Narrenordnung.
1496 erscheint das Teufelshäs zum ersten Mal.
1499 erscheint das Teufelshäs nicht mehr.
1550 Der Rat der Stadt überträgt den Zünften die Durchführung der Fasnet.
1566 erster Umzug, der als Waffenschau gestaltet wurde.
1582 Umzug als Waffenschau
1586 Umzug als Waffenschau
1587 fällt die Fasnet wegen des Todes von Bürgermeister Johann Burgberg aus
1588 Umzug als Waffenschau
1592 Umzug als Waffenschau
1601 Umzug als Waffenschau
1602 Umzug als Waffenschau
1610 Umzug als Waffenschau
1611 Das Ende der Waffenschauen.
1664 Der Schwerttanz wird als Fasnetsbrauch aufgeführt.
1758 Siebenjähriger Krieg (Preußen – Habsburg). Tanzverbot wurde jedoch aufgehoben
1762 Aufführungen von Fasnetsspielen von ansässigen Schülern der Franziskaner.
1766 wird der Hänsele erstmalig erwähnt.
1766 Die Schwerttanzkompanie beantragt ein neues Hänsele beim Rat der Stadt.
1769 Erwähnung des Hänsele in Verbindung mit der Fasnet.
1789 wird die Karbatsche zum ersten Mal erwähnt.
1790 Die Fasnet fällt wegen einer Überschwemmung im Vorjahr aus.
1863 wird das Narrenbuch vom Verein Liederkranz (Vorstufe der Narrenzunft) begonnen.
1864 Erste Erwähnung von Narreneltern. Erste Erwähnung der Ranzengarde.
1870 wird der Schwerttanz von der Fasnet abgetrennt.
1880 Erstes Photo von den Narreneltern und dem Hänsele (Foto Lauterwasser).
1896 wird der Narrenbaum zum ersten Mal im „Seebott“ erwähnt.
1921 Gründung der Narrenzunft Überlingen von Herr Posch.
1921 Viktor Mezger wurde Narrenschreiber und hatte dieses Amt bis 1987 inne.
1927 wurde das erste Narrenkonzert aufgeführt.
1934 Einweihung des Hänselebrunnens.
1939 bis 1945 wegen des 2. Weltkrieges keine Fasnet in Überlingen.
1947 Die franz. Besatzungsmacht setzt Viktor Mezger als Zunftmeister ein.
1952 mündlicher Austritt der Zünfte Rottweil, Elzach und Überlingen aus der VSAN.
1952 Gründung der Zimmermannsgilde.
1952 schriftlicher Austritt der Zünfte Rottweil, Elzach und Überlingen aus der VSAN.
1952 Erste Gründung der Hänselezunft
1954 Nikolaus Nothelfer wird zum 1. Hänselevater gewählt (bis 1966)
1958 Erstes Narrentreffen der befreundeten Zünfte in Überlingen.
1959 Narrentreffen in Elzach.
1960 Narrentreffen in Rottweil.
1962 Letztes Narrenkonzert im bekannten Rabensaal.
1962 Wegen der Flutkatastrophe Hamburg fällt der Sonntagsumzug aus
1963 Fasnet vor der Stadt auf dem zugefrorenen See
1964 Gründung der Hänselezunft, wie sie heute besteht.
1965 Generationswechsel im Narrenrat, Neuanfang der Narrenkonzerte.
1965 Einzug in die Zunftstube im Zeughaus.
1967 Walter Hermann wird zum Hänselevater gewählt (bis 1972)
1972 Bezug der neuen Zunftstube in der Turmgasse (altes Gefängnis).
1972 Michael Mezger wird zum Hänselevater gewählt (bis 1993)
1977 Narrentag des Viererbundes in Überlingen.
1983 Narrentag des Viererbundes in Elzach.
1983 Gründung der „Alten Wieber“ e.V.
1984 Heinz – Peter Fräntzki zur Narrenmutter gewählt (bis 2006)
1986 Eingetragener Verein. Leitung wieder durch die Narreneltern.
1987 Aufnahme von Narrenratsanwärtern.
1987 Narrentag des Viererbundes in Rottweil.
1991 Ausfall der Fasnet wegen Golfkrieg.
1992 Narrentag des Viererbundes in Überlingen.
1993 Reiner Rammelt wird zum Hänselevater gewählt (bis 1995)
1994 60 Jahre Hänselebrunnen mit einem kurzen Auftritt der Fasnetsfiguren im Sommer
1995 Narrentag des Viererbundes in Oberndorf
1993 Adolf Wolfensperger wird zum Hänselevater gewählt (bis 2005)
1996 Narrentag mit Zünften aus der Region „500 Jahre Fasnachtsverordnung“.
1996 Reiner Rammelt zum Narrenvater gewählt (bis 2006)
1999 Narrentag des Viererbundes in Elzach
2000 erscheinen des Buches „Überlinger Fasnet von 1863-2000 2000 das Narrenbuch von 1863 wird geschlossen und ein neues begonnen
2003 Narrentag des Viererbundes in Rottweil
2003 20 jähriges Bestehen der „Alten Wieber e.V.“
2005 Harald Kirchmaier wird zum Hänselevater gewählt.
2006 Narrentag des Viererbundes in Überlingen
2006 Wolfgang Lechler wird zur Narrenmutter und Thomas Pross zum Narrenavter gewählt
2007 Gründung Jugendfonds der Narrenzunft Überlingen
2007 Erster Auftritt „Der Band“ der Narrenzunft Überlingen
2007 Eröffnung Fasnachtsausstellung im Städtischen Museum
2008 1. Ausgabe Fasnetsheftle
2009 1. Küchlinfahrt auf die Insel Mainau
2009 Jubiläum 75 Jahre Hänselebrunnen
2010 Narrentag des Viererbundes in Oberndorf
2010 2. Ausgabe Fasnetsheftle „Der Viererbund“
2011 2. Küchlinfahrt auf die Insel Mainau
2011 Erweiterung Zunftstube „Rotes Haus“
2012 3. Ausgabe Fasnetsheftle „Schulbefreiung“
2013 Narrentag des Viererbundes in Elzach
2014 3. Küchlinfahrt auf die Insel Mainau
2014 4. Ausgabe Fasnetsheftle „Küchlinfahrt“
2014 Ausstellung „150 Jahre Narrenbuch“ in der Volksbank
2015 20 jähriges Jubiläum „Der Überlinger Löwe e.V.“
2015 Peter Graubach, Ersatznarrenmutter
2016 4. Küchlinfahrt auf die Insel Mainau
2016 5. Ausgabe Fasnetsheftle „Mäschgerle um de Narrebom